Das Projekt
Bewegungsökologie und Raumnutzung des Rotmilans
Die Intensivierung der Landnutzung durch den Menschen und der Klimawandel gelten als Hauptbedrohungsfaktoren für die terrestrische Biodiversität. So lässt sich beispielsweise seit Jahren ein Rückgang der in Agrarlandschaften vorkommenden Vogelarten verzeichnen. Neben Habitatveränderungen und ‑verlusten, zum Beispiel durch Holzeinschlag und Bodenversiegelung, ist in den letzten Jahren ein weiterer Bedrohungsfaktor, die Errichtung von Windenergieanlagen (im Folgenden WEA), insbesondere für großräumig agierende Arten hinzugekommen. WEA führen zu Barriereeffekten und einem erhöhten Kollisionsrisiko vor allem für Vögel und Fledermäuse.
Die in Deutschland im Kontext des Windkraftausbaus wohl am häufigsten diskutierte Art ist der Rotmilan (Milvus milvus). Ausgehend von einem Bestand von 20 000 – 25 000 Brutpaaren ist er, mit 337 Schlagopfern (Stand: Februar 2017), das häufigste Kollisionsopfer in Relation zu den Bestandszahlen. Etwa 50% des Weltbestandes dieser bedrohten Art brütet in Deutschland, woraus sich eine besondere Verantwortung für deren Schutz und Erhalt ableiten lässt. Um dieser Verantwortung gerecht werden zu können, ist es essentiell, die Bewegungsmuster dieser hochmobilen Tiere zu verstehen.
Bewegungen sind die Grundlage zum Erreichen geeigneter Bruthabitate und dem Finden von Nahrung. Durch deren Verständnis können die Effekte, die verschiedene Landnutzungsformen und auch WEA auf den Rotmilan haben, besser abgeschätzt werden. Daher werden hochaufgelöste Bewegungsdaten von 20 Rotmilanen in Hessen mittels moderner Satellitentelemetrie erhoben, um die Bewegungsmuster und Flughöhen der Vögel präzise zu erfassen und auszuwerten. Durch das Verschneiden der erhobenen Daten mit flächendeckenden Informationen zur Landnutzung soll den folgenden Fragestellungen nachgegangen werden:
(1) Welche Landnutzungstypen und Landschaftsstrukturen beeinflussen die Bewegungsentscheidungen von Rotmilanen und welche Rolle spielen Windenergieanlagen dabei?
(2) Welche lokalen Strukturen werden durch den Rotmilan vorrangig genutzt und ändert sich deren Nutzung durch den Einfluss von WEA? Dabei wird die Habitatwahl der Rotmilane als hierarchischer Prozess auf vier unterschiedlichen räumlichen Skalen, von der regionalen Verbreitung der Art bis hin zur Nutzung von „Mikrohabitaten“ betrachtet.
(3) Welchen Umfang sollte eine effiziente Raumnutzungsanalyse haben? Die erhobenen Daten werden verwendet, um mittels Modellierung den Erfassungsaufwand zu ermitteln, der notwendig ist um genutzte Strukturen im Rahmen von Raumnutzungsanalysen adäquat zu erfassen. Damit soll ein Beitrag zu einem einheitlichen, evidenzbasierten Methodenstandard geleistet werden, der derzeit in Deutschland angestrebt wird.